Mit Kleinkind in Asien
Vor drei Jahren reiste ich mit meiner Familie ein paar Monate lang durch Südostasien. Mein Mann und ich hatten das Glück, gemeinsam Elternzeit nehmen zu können. Und so hatten wir Zeit, langsam anzukommen, Menschen zu beobachten und viele Gespräche zu führen. Im Norden Thailands erlagen wir schnell dem Charme der buddhistischen Kultur. Wir waren um das Lichterfest herum in der Region Chiang Mai. Die Tempel waren festlich geschmückt, Mönche sehr beschäftigt mit den Vorbereitungen für die großen Feierlichkeiten. Unsere Tochter Lola, damals zweieinhalb Jahre alt, erlebte zum ersten mal Religion hautnah. Sie liebte es, wie alle anderen vor den Tempeln ihre Schuhe abzustreifen, leise tapsend in die kühlen Gebäude einzutreten, Räucherstäbchen anzuzünden und sich im Rhythmus der Betenden niederzuknien, um dann mit der Stirn den Boden zu berühren. Buddha erkannte sie an jeder Straßenecke wieder. Und eine kleine, goldene Buddha-Figur steht seit dieser Reise auf ihrem Kinderzimmerschrank.
Reisen mit Kindern ist anstrengend und aufregend
Reisen bildet, heißt es im Volksmund. Reisen mit Kindern ist anstrengend, aufregend, überraschend. Ein paar Tage, Wochen, Monate 24 Stunden am Tag zusammen, meist auf engstem Raum, wird manchmal zu einer familiären Zerreißprobe, sehr häufig aber schweißt die intensiv verbrachte Zeit enger zusammen. Reisen versorgt Kinder mit Eindrücken, die ihnen der normale Alltag nicht bieten kann.
Es ist schwer zu sagen, was Kinder, vor allem wenn sie noch sehr klein sind, von Reisen mitnehmen. Als wir uns auf den Weg nach Südostasien machten, war unsere jüngste Tochter noch nicht einmal ein Jahr alt. Sie begann am Strand von Kho Lanta zu krabbeln, wurde von Straßenhändlern in Bangkok geknuddelt, mit kleinen Reis- und Gemüsehäppchen gefüttert. Sie hörte Sprachen, aus deren Klang sie die Bedeutungen herauszufiltern versuchte. Ihre größere Schwester lernte ein paar Brocken Thai und gewöhnte sich gerne daran, zum Frühstück Hühnersuppe zu verspeisen.
Die Welt mit anderen Augen betrachten
Unsere kleinen Töchter, aber auch unsere Großen, die bei vielen anderen Reisen dabei waren, wissen, wie es sich anfühlt, in einem fremden Land nicht verstanden zu werden. Sie wissen, dass Menschen in anderen Ländern andere Speisen essen und dass diese Gerichte durchaus auch sehr lecker sein können. Sie haben erfahren, dass Menschen an andere Dinge glauben, die Welt mit anderen Augen betrachten, andere Lebensbedingungen haben. Sie finden Gebräuche, Kleidung, Gesten fremder Kulturen aufregend. Sie erleben, dass es Kinder in ärmeren Ländern oft ganz schön schwer haben, dass sie in kleinen Baracken leben, wenig zu essen und nur ein paar Spielsachen haben.
Eltern erfahren, wenn sie es wollen, in anderen Kulturen verschiedene Herangehensweisen an Erziehung. Sie erleben in Italien, dass schon der Anblick eines kleinen Kindes für Strahlen in den Augen alter Menschen sorgt, dass die Kleinen dort in Restaurants auch mal laut sein dürfen. Sie erleben in Skandinavien moderne Rollenbilder, sprechen mit Eltern, die trotz Arbeit und vielleicht sogar Karriere Zeit für ihre Kinder haben. Sie hören von Chefs, die ihr Kind selbst um 16 Uhr von der Kita abholen, um dann Feierabend zu machen. Sie erleben sehr innige Beziehungen zwischen Kindern und Eltern in Asien.
Reisen an sich garantiert noch keinen Zugewinn an Erziehungswissen. Wichtig ist die Bereitschaft sich einzulassen, andere Perspektiven einzunehmen. Dass Kinder spätestens um 8 Uhr alleine in ihrem Bett in ihrem eigenen Kinderzimmer schlafen müssen, ist nicht in Stein gemeißelt. Ebenso wenig führt ständige Konsequenz zu einer angenehmen Eltern-Kind-Beziehung. Auch erlernen Kinder soziale Fähigkeit nicht einfach so, von alleine.
Die eigenen Erziehungsvorstellungen auf dem Prüfstand
Kulturelle Erziehungsmuster beschreiben keine Klischees. Innerhalb jedes Landes, jeder Kultur, gehen Eltern sehr verschieden mit ihren Kindern um. Aber es lassen sich doch ein paar Tendenzen erkennen, Diskurse über das, was gut oder was schlecht für Kinder ist. In vielen Ländern Asiens zum Beispiel schlafen Kinder oft bis ins Teenageralter bei ihren Eltern im Zimmer, irgendwann halt nicht mehr mit im Bett, sondern auf einer Matratze zu Füssen ihrer Eltern, aber ganz in der Nähe. Japanische Eltern, Erzieher, Lehrer legen sehr viel Wert auf die Entwicklung empathischen Einfühlungsvermögens. Kinder lernen von früh auf, was ihre Handlungen beim Gegenüber auslösen. Den Schweden ist gender-neutrale und gewaltfreie Erziehung seit einigen Jahrzehnten sehr wichtig. Kinder im südamerikanischen Regenwald lernen früh, Verantwortung zu übernehmen, Teil einer Gemeinschaft zu sein und damit auch ganz langsam erwachsen werden zu dürfen.
Keine Mutter, kein Vater, wird davon verschont bleiben, Fehler zu machen, manchmal auch schwerwiegende Fehler. Doch keine Erziehungsideologie garantiert, diese Fehler nicht zu machen. Ein Blick über den Tellerrand kann helfen, die eigenen Erziehungsvorstellungen immer wieder auf den Prüfstand zu stellen, sie nach ihren kulturellen, persönlichen, wirtschaftlichen und politischen Hintergründen abzuklopfen. Niemand muss, sollte jetzt einfach nur erziehen, wie die Franzosen, wie die Japaner oder wie die Schweden. Aber Eltern können sich inspirieren lassen.
Ein Land der Erziehungs-Polizisten
Deutschland ist ein Land der Erziehungs-Polizisten und Erziehungs-Polizistinnen. Das ist mir bei meinen Recherchen sehr stark aufgefallen. Sehr viele Eltern scheinen ganz genau zu wissen, wie es „richtig“ geht. Doch genau ihnen fehlt häufig der Weitblick.
Kinder wollen geliebt werden. Sie wollen ein Strahlen in Mamis und Papis Augen sehen. Sie sind keine Erziehungsobjekte mit In- und Output. Das ist die wesentliche Erkenntnis, die ich durch meine Reise gewonnen habe. Kinder sind, auch für mich unreligiöses Wesen, ein Geschenk des Himmels und sollten entsprechend behandelt werden.
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