Nachhaltiges Reisen & Familienreisen
Interview mit Gründer Rainer Stoll
Rainer, was ist Dir persönlich am Thema Nachhaltigkeit wichtig und welche Aspekte beinhaltet nachhaltiges Reisen für Dich?
Das Wichtigste beim Thema Nachhaltigkeit ist mir persönlich der Artenschutz. Nachhaltigkeit beinhaltet ja viele verschiedene Aspekte. Das ist zum einen vor allem eine intakte Natur, aber auch eine intakte Kultur, subjektives Wohlbefinden der Einheimischen, wirtschaftlicher Wohlstand der Einheimischen und auch die optimale Befriedigung der Gästewünsche. Das Modell nennt sich 5-Eck-Pyramide und wurde vor vielen Jahren von einem Professor aus der Schweiz erfunden. Er hat mir persönlich erlaubt diese Pyramide zu benutzen, denn damals gab es das nachhaltige Reisen eigentlich noch nicht und es gab viele Diskussionen rund um das Thema. Die 5-Eck-Pyramide war eigentlich immer das Leitbild, an dem ich mich orientiert habe. Dabei lege ich besonderen Wert auf den Naturschutz. Ich arbeite ja auch schon seit 20 Jahren aktiv im Naturschutz, engagiere mich da auch privat sehr stark und bin Vorstand vom hiesigen NABU.
Wann hast Du Dich entschieden, Deinen beruflichen Fokus in diese Richtung zu legen?
Das ist eigentlich schon während meines Studiums vor 25 Jahren passiert. Ich habe Umweltökonomie studiert und mich schon immer für das Thema Umwelt interessiert. Während des Studiums habe ich mich dann natürlich auch intensiv damit beschäftigt und da wurde mir immer klarer: Das ist mein Ding, das will ich machen! Damals war Freiburg die Hauptstadt der Ökologie. Mittlerweile sind da ja einige Städte weiter. Der Tourismus kam dann erst später dazu. Ich habe ja auch Marketing studiert und kam durch meine Arbeit bei Waschbär zum Thema Tourismus.
Inwieweit hat Dich Dein Studium geprägt und wie hat es Deine Einstellung zum Thema Nachhaltigkeit verändert?
Ich habe gelernt, dass Ökologie nur im Zusammenspiel mit Ökonomie funktioniert und dass die Wahl des Standorts für nachhaltige Aktivitäten sehr wichtig ist. Wir haben damals, vor 20 Jahren, Modelle entwickelt, mit denen wir zum Beispiel untersucht haben, in welchem Land der Effekt durch Geldspenden am höchsten ist. Es macht einen großen Unterschied, ob ich 10.000 Euro in Deutschland, Sibirien oder Costa Rica einsetze. Das zu sehen hat mich sehr fasziniert. Ich fand auch sehr interessant, wie viel man über Zertifikate machen kann. Man kann sich heutzutage zum Beispiel die Erlaubnis kaufen, die Umwelt zu verschmutzen. Dieses Geld kann man dann anderswo aber sehr sinnvoll einsetzen. Ich fand das damals total spannend, auch weil es hierfür damals noch keine Beispiele gab. Inzwischen gibt es diese Beispiele, was die Gedanken der Menschen, die diese Abläufe entwickelt haben, ja dann bestätigt hat.
Du hast ja Deine erste Reise geplant, als Du noch beim Waschbär Versand gearbeitet hast - wie kam es dazu? War nachhaltiger Tourismus schon vorher ein Thema für Dich? Nach welchen Kriterien hast Du deine erste Reise konzipiert und wo ging es hin?
Das war so: Waschbär ist ein Versandhaus und wir haben mit einem Katalog gearbeitet. Unsere Idee war es, das Papier, das wir dafür verbrauchen, wieder nachwachsen zu lassen. Ich habe mir also angeschaut, in welchem Land das am Günstigsten umsetzbar ist und dabei bin ich auf Costa Rica gestoßen. Dieses Projekt haben wir dann auch selbst besucht und der Projektleiter, der ungefähr 100.000 Bäume im Jahr gepflanzt hat, erwähnte, dass er nebenbei auch noch Reiseleiter sei. So war der Gedanke einer Projektreise nach Costa Rica geboren. Ich habe mich in dem Zusammenhang dann intensiv mit dem sehr jungen Thema nachhaltiges Reisen auseinandergesetzt. Damals musste man alles mit Fax, Telex usw. organisieren - es war richtige Pionierarbeit, so eine Projektreise zusammenzustellen! La Fortuna war damals noch völlig unerschlossen und es gab nur zwei Hotels. Mit dem damaligen Reiseleiter Paul Valenciano arbeiten wir noch heute eng zusammen. Heute sind solche Projektreisen ja fast der Standard, sogar die großen Veranstalter bauen Projektbesuche in ihre Reisen ein.
Wie kamst Du dann auf die Idee, selbst nachhaltiger Reiseveranstalter zu werden?
Ich habe bei Waschbär vier Jahre als Assistent der Geschäftsführung gearbeitet, dort nebenbei die Reisen organisiert und dabei gemerkt, dass mir das wahnsinnig viel Spaß macht. Ich bin aber auch schon immer jemand gewesen, der gerne selbstständig arbeitet. Ich komme aus einer Familie, in der viele selbstständig arbeiten, ich denke da kriegt man das ein bisschen in die Wiege gelegt. Deshalb habe ich schon frühzeitig darauf hingearbeitet, Waschbär Reisen zu kaufen.
Und was war ausschlaggebend, später einen eigenen Familienreiseveranstalter – For Family Reisen - zu gründen? Was liegt Dir im Bezug auf For Family Reisen besonders am Herzen?
Marketing ist ein wichtiges Thema im Tourismus. Eine eigene Firma mit einem konkreten Ziel, in diesem Fall „Familienreisen“, ist in meinen Augen wesentlich schlagkräftiger auf dem hart umkämpfen Reisemarkt. Man kann viel zielgerichteter Marketing betreiben, wenn man eine ganz klare Marke hat. Ich habe nicht nur eine eigene Firma für Familienreisen gegründet, sondern auch Birdingtours und travel-to-nature als Spezialist für Mittelamerika. Wenn man da alle Ziele zusammenfassen würde, wäre das ein richtiges Durcheinander, eine Art Gemischtwarenladen wo auch die Kunden nicht zusammenpassen. Am Anfang hatten wir auch Touren mit Vogelbeobachtern und Familien zusammen im Programm, das war für alle nicht gut. Jetzt sind die Vogelgucker und die Familien, bei denen es ja noch die Unterscheidung zwischen For Family und Family & Teens gibt, auf ihren Reisen unter sich. Wir arbeiten so wesentlich zielgruppengenauer.
Warum interessieren sich Familien Deiner Meinung nach zunehmend für nachhaltiges Reisen?
In meinen Augen ist das eine ganz normale Entwicklung. Kinder fragen ihre Eltern: „Was machst du denn Gutes? Was machst denn du für die Umwelt? Was machst denn du für die Menschen?“ Denn für Kinder ist es wichtig zu sehen, dass die Eltern sich engagieren. Auf unseren Familienreisen kann man das gut ausloten, denn man kann sich bei Tierbeobachtungen um den Artenschutz kümmern, Zeit mit der Familie verbringen und auch soziale Projekte besuchen. Das kommt auch dem Bedürfnis der Kinder, in einer guten Welt leben zu wollen, entgegen. Bei unseren Projektbesuchen zeigen wir den Familien die Realitäten der verschiedenen Reiseländer und wie man selbst Verantwortung übernehmen kann. Wir sehen uns auch in einer Art Vorbildfunktion, denn das Thema Umweltschutz wird heutzutage immer wichtiger. Es macht auch einfach viel mehr Spaß, bewusst zu reisen. Man erlebt mehr, der Horizont erweitert sich und man kann dabei viel lernen.
Was tut For Family Reisen aktiv?
Wir sind vielfältig sozial und nachhaltig engagiert. Zuallererst sind wir Hauptsponsor eines kleinen Dorfes in Nepal. Wir haben dort schon einen Kindergarten gebaut und jetzt entsteht dort mit unserer Hilfe ein Frauenhaus. Daher spenden bei jeder Buchung einer Fernreise 20€ direkt an SWAN (Social Welfare Association Nepal) Deutschland e.V. Auch nach dem Erdbeben im letzten Jahr haben wir die Menschen dort tatkräftig unterstützt. Darüber hinaus besuchen wir natürlich auf unseren Reisen viele, einzigartige Projekte wie das La Tigra Regenwaldprojekt oder das Ecocentro Danaus. Diese Projekte unterstützen wir ebenfalls finanziell.
For Family Reisen unterstützt ein Dorfprojekt in Nepal. Warum gerade Nepal?
Krishna, der das Dorfprojekt leitet und selbst dort aufgewachsen ist, kenne ich schon seit über 20 Jahren. Damals haben wir viele gemeinsame Reisen nach Bhutan, Nepal, Tibet, usw. gemacht. So lag es nahe, unsere Familienreise „Nepal for family" gemeinsam zu entwickeln. Seitdem ist zwischen uns eine ganz vertrauensvolle und lange Zusammenarbeit gewachsen. Wir kennen in Nepal sehr viele Leute, von denen wir wissen, dass wir uns auf sie verlassen können. Mit Krishnas Organisation SWAN (Social Welfare Association Nepal) arbeiten wir sehr, sehr gut und freundschaftlich zusammen und bereits 75 Gäste haben eine Patenschaft für dort lebende Kinder übernommen. Das soziale Engagement verbindet!
Was macht For Family Reisen anders - besonders im Vergleich zu anderen Reiseanbietern? Wie unterscheidet sich das Reiseerlebnis?
Dazu muss man sich nur unsere Programme ansehen, das sind ganz und gar außergewöhnliche Reisen, nicht von der Stange, sondern speziell von Familien für Familien konzipiert und getestet. Wir haben unsere ganz eigene Philosophie. Wir testen ja auch alle unsere Reisen selbst. Wir entwickeln die Reisen, testen sie, verändern sie familiengerechter, schauen auch die Hotels selbst an und sprechen mit den Reiseleitern. Das bedeutet, unsere Reisen sind genau auf die Zielgruppen zugeschnitten. Die großen Veranstalter können das oft gar nicht leisten, die kaufen ihre Produkte auf der Messe ein und basteln sie dann zusammen. Ich denke da liegt der große Unterschied. Mit uns können die Reisenden das Land auch wirklich kennenlernen. Zudem haben wir auch echt tolle Gäste und total nette Gruppen.
Wie wird Nachhaltigkeit auf den verschiedenen Familienreisen umgesetzt?
Das ist bei jeder Reise anders. In Costa Rica schützen wir die Natur, in Nepal unterstützen wir die Menschen und erhalten die Kultur und in Malaysia besuchen wir zum Beispiel ein Orang-Utan Projekt.
Was hat sich durch das Engagement von For Family Reisen schon verändert? Kann man spürbar vor Ort etwas merken? Besonders in Nepal engagiert sich For Family reisen ja sehr stark, wie hat sich das Dorf seit der Zusammenarbeit verändert?
Es ist sensationell, wie sich das Dorf verändert hat. Die strengen Kasten-Strukturen sind aufgebrochen, die Hebammen sind jetzt gut ausgebildet, die blinden Kinder haben eine Schule und ein Wohnheim, die Frauen haben mehr zu sagen und die Gesundheitsbildung hat sich wesentlich verbessert. Dazu ist das Dorf jetzt sehr sauber, es gibt keinen Plastikmüll, wie sonst überall in Nepal, und die Kinder schützen jetzt die Vögel, statt Sie zu jagen. Das muss man wirklich einmal live sehen! Vor 20 Jahren war dort noch alles voller Müll und Dreck, die Menschen haben in Armut gelebt. Heute gibt es große Schulen und Kindergärten. Inzwischen gibt es sogar einen Fußballplatz und einen Volleyballplatz für Frauen. Das waren auch Projekte, die wir unterstützt haben. Als Ammar, die Mutter von Krishna, vor zwei Jahren gestorben ist, war eine Woche lang Staatstrauer, so sehr hat sie sich um das Dorf gekümmert. Das ist wirklich beeindruckend.
Ist die Zusammenarbeit nicht manchmal schwierig? Wie kann man sich sicher sein, dass es fair zugeht, dass die Agentur vor Ort auch nachhaltig arbeitet?
Man muss das kontrollieren, in Fragebögen nachfragen, sich selbst ein Bild machen, also hinreisen. Anders geht's nicht. Wir fahren ja immer wieder mit auf die Touren und schauen uns alles vor Ort und mit den Familien an. Ich bin zum Beispiel jedes Jahr in Costa Rica und jeder der Kollegen sollte ab und zu die Touren, die er anbietet, auch testen.
Auf den Costa Rica Familienreisen übernachten die Familien ja auch in Eco Lodges, die Du mit aufgebaut hast. Möchtest Du Dein Engagement in diese Richtung zukünftig weiter ausbauen? Was hat Dich dazu bewegt, Dich auch in diesem Bereich zu engagieren?
Unser erstes Projekt war ja das Hotel Casa Luna. Wir hatten unsere Coste Rica Gruppen in La Fortuna zu einem vernünftigen Preis, zu denselben Bedingungen und mit dem gleichen Service unterzubringen. Da kamen wir eben auf die Idee selber etwas zu bauen. Wir wollten eine kleine Lodge bauen - welche inzwischen ja bereits 42 Zimmer groß geworden ist! Das zweite Projekt dieser Art war dann die La Tigra Lodge. Das „nachwachsende Hotel“ war ein langjähriger Wunsch von mir. Inzwischen ist die Lodge ein ökologisches und ökonomisches Vorzeigeprojekt, das man überall anders in der Welt, wo Bäume wachsen, ebenso umsetzen könnte. So wie es aussieht, funktioniert es. Wenn es weiterhin so gut läuft, werden wir vielleicht versuchen, solche Projekte auch in anderen Ländern zu lancieren. Da werde ich mich persönlich aber dann nicht mehr privat engagieren, das überlasse ich dann anderen.
Denkst Du nachhaltiges Reisen ist nur ein Trend - oder ist es vielleicht sogar die Zukunft des Reisens?
Ganz klar ist das die Zukunft. Zumindest ein Teil der Zukunft. Es werden nie alle Menschen nachhaltig reisen, aber es ist mehr als nur ein Trend. Vielleicht wird es immer ein Nischenprodukt bleiben, aber es wird mit Sicherheit immer wichtiger werden. Mittlerweile wird es auch von den großen Veranstaltern übernommen, oder zumindest teilweise in die Reisen mit eingebaut. Das ist zwar nicht so konsequent durchgezogen wie bei uns, aber die kümmern sich auch um ihre Müllentsorgung und Mülltrennung. Alleine deshalb hat es sich schon gelohnt, dass wir ein Gegengewicht aufgebaut haben.
Was hat sich For Family Reisen in Zukunft für Ziele gesteckt? Sind schon neue Projekte geplant?
Na klar haben wir Ziele, sehr viele und sehr hohe sogar. Aber die verrate ich nicht. Die Mitbewerber kopieren uns sowieso schon mehr als reichlich. :)
Vielen Dank für das sehr interessante Interview!
Fotogalerie: Soziales Engagement
Noch mehr zum sozialen Engagement von For Family Reisen?
Lust ein Teil der nachhaltigen Bewegung zu werden und beim Reisen Einheimische zu unterstützen? For Family Reisen unterstützt Projekte in Nepal und Costa Rica. Weitere Informationen zur Nachhaltigkeit und zum sozialen Engagement von For Family Reisen gibt es hier.