Familienreise nach Kerala: Mit Kindern in Indien
Interview mit der Gastgeber Familie Moozhiyil
Bitte erzählt uns etwas zur Familie Moozhiyil: Wer gehört dazu? Wo lebt ihr genau? Wer ist für was verantwortlich im Projekt?
Wir. Mathew (Agrawissenschafftler) und Leelamony Moozhiyil (Krankenschwester) haben lange Jahre in Deutschland studiert, gearbeitet und gelebt. 1989 sind wir als junge Familie mit kleinen Kindern nach Indien zurückgekehrt. Zu dieser Zeit haben wir das BASIS-Projekt ins Leben gerufen. Heute heißt es BASIS-Programs und umfasst drei verschiedene Bereiche: 1) BASIS Projects: Entwicklungs- und Ausbildungsprojekte (sowie soziale Entwicklung & Umweltfragen), 2) BASIS Handproducts: Herstellung und Verkauf von handwerklichen Produkten und 3) BASIS Reisen: Internationale Begegnung und sanfter Tourismus. Unsere Kinder Anuradha, Theresa und Christoph sind in der Planung und Durchführung von verschiedenen Projekten von BASIS aktiv tätig.
Wir leben im Süden Indiens in einem Bundesstaat namens Kerala. Kerala liegt an der Westküste am arabischem Meer. In Kerala wohnen wir in einem Ort namens ‚Sree-Kanda-Mangalam‘. Das bedeutet: der gesegnete Ort.
Ihr habt lange in Deutschland gelebt. Wie hat es euch hier gefallen?
Ja wir haben lange in Deutschland gelebt, über 21 Jahre. Wir haben in Deutschland sehr viel Gutes empfangen und erfahren.
Aus welchen Gründen und mit welchen Plänen seid ihr nach Indien zurückgekehrt?
Durch unsere Ausbildung, durch das Studium, durch die Arbeit sowie durch gesellschaftliche Integration – wissenschaftlich, wirtschaftlich, planerisch, sozial, organisatorisch, die Gründlichkeit und die Genauigkeit, die Arbeitsmoral – alles hat positiv zu unseren Erfahrungen beigetragen und hat uns geholfen, einen ganz anderen Eindruck und eine andere Vergleichsmöglichkeit von Indien und Deutschland zu bekommen.
Unser Ziel der Rückkehr: Wir wollten unsere Erkenntnisse und Erfahrungen an unsere Heimat weitergeben und als Brücke zwischen Indien und Deutschland wirken. Wir hatten keinen konkreten Plan, nur Ideen. Unser Ziel war - als Mensch auf dem Weg zu sein und anderen Menschen zu helfen, ihre Lebensituation zu verbessern. Erst hatten wir Mitleid mit den Menschen, die in bestimmen Gegebenheiten und Situationen ihr Leben aufbauen mussten. Später haben wir erkannt, dass man mit Mitleid und Almosen nicht helfen kann, sondern mit verschiedenen Möglichkeiten, besonders im handwerklichen Bereich. So begannen wir die verschiedenen Projekte wie Nähen und Sticken in der Nähschule, Malen und Siebdruck in der Kunstwerkstatt, Buchbinderei, Holz- und Metallbearbeitung in Werkstätten, Lernen von Gesang, Tanz und landwirtschaftlichen Tätigkeiten. Das war der Beginn von BASIS - Bio Agricultural and Social Improvement Schemes.
Haben sich eure Wünsche und Ziel vor Ort erfüllt?
Jede Situation hat uns in Frage gestellt, und durch diese Fragen haben wir immer einen Weg gefunden. Neue Herausforderungen haben sich immer und immer wieder ergeben. Wir haben unsere Ziele nach und nach erreicht und sind heute immer noch dabei. Es ist eine stille Arbeit. Über Tausende von Menschen, besonders junge Frauen haben bei uns eine Nähausbildung absolviert und sind auch als Unternehmer tätig. Wir freuen uns immer wieder, der einen oder anderen zu begegnen und zu hören, was sie durch die Ausbildung nun geworden ist. Und mit großer Dankbarkeit blicken diese Frauen oft auf die Entwicklung ihres Lebens zurück. In der Kunstwerkstatt haben ca. 200 Frauen eine Ausbildung abgeschlossen. Zusätzlich wurden etwa 300 Menschen in verschiedenen Bereichen ausgebildet z.B. in handwerklichen Berufen, in der Landwirtschaft, Tierhaltung und sind großteils auch in die Selbstständigkeit gegangen. Durch unsere eigene Tierhaltung haben wir im Dorf eine bessere Rinderpopulation hergestellt. Ca. 100 Ziegen haben wir in den letzten 4 Jahren in 100 Familien verteilt, damit Haushaltsabfälle sinnvoll entsorgt werden. Die Familien haben dadurch auch Dünger für die Landwirtschaft und verfügen über Ziegenmilch, welche besonders für Kindernahrung bestens geeignet ist, da diese antiallergen ist. Ziegenfleisch ist eine Delikatesse, nach der große Nachfrage besteht. In der Hochrechnung sind aus diesen 100 Ziegen nun einige 1000 Ziegen entstanden, die im Umkreis und in den Nachbardörfern verteilt wurden und die wirtschaftliche Entwicklung in den Familien weiterbringen, wobei sie besonders den Frauen eine große Hilfe sind.
Für verschiedene Projekte war BASIS ein Ort der Begegnung, worüber wir heute sehr froh und dankbar sind.
Wie unterscheidet sich das indische Familienleben von dem der Deutschen?
Im indischen Leben geht es um das ‚wir und unsere‘, in Deutschland ist es eher ‚ich und meine‘. In Indien lebt man oft in einer Großfamilie, d.h. als kleine Familie lebt man zusammen mit den Großeltern und manchmal sind auch Geschwister und ihre Familien mit dabei. Man teilt alles was man hat, oft gibt es eine Großküche. Man teilt Freude und Leid. Wenn es mal zu Schwierigkeiten oder zu Notfällen kommt, trägt jeder etwas bei, da es keine staatliche Krankenversicherung oder Altersvorsorge gibt. In Indien bietet die Familie Zusammenhalt, finazielle Sicherheit und die soziale Stellung.
Wie gestaltet sich euer Lebensalltag?
Der Lebensalltag gestaltet sich mit viel Gelassenheit. Denn oft ist am Alltag vieles unvorhersehbar. Alles und nichts kann funktionieren: der Bus kommt nicht, der Zug fällt aus, die Strassen sind blockiert, weil ein Minister-Präsident durchfährt, plötzlich fällt mal das Internet aus - jeder Tag hat eine Überraschung bereit und man stellt sich darauf ein den neuen Tag mit Flexibilität und Spontanität zu beginnen. Wir nehmen uns manchmal 10 Sachen am Tag vor und sind glücklich wenn wir 2-3 durchgeführt haben. Und manchmal gelingt uns etwas, das eigentlich gar nicht geplant war. Das ist das Schöne am Alltag, und besonders auch, dass wir immer warmes Wetter haben und die Menschen stets frohen Gemüts und gelassen sind. Typisch europäisch, möchten wir ja oft so viele Dinge selbst verantworten und machen uns zu viele Sorgen und Gedanken, alles nach Plan durchzuführen. Indien lehrt uns, das Leben so anzunehmen, wir es ist und wie es gerade kommt.
Welche deutschen Gewohnheiten, Tugenden oder Eigenheiten habt ihr mit nach Indien mitgenommen?
Die Sauberkeit, das Zeitgefühl, die Genauigkeit und ein umweltbewusstes Leben.
Welche Abenteuer warten in Indien darauf von Familien erlebt zu werden?
Das Leben draußen im Freien verbringen – das ist Indien!
Die üppig grüne Natur, der Dorfelefant, das Baumhaus, indische Tempeln und Tempelgeschichten und so vieles mehr ...
Was sollte unbedingt mit im Gepäck für die Indien Familienreise sein?
Eine große Menge Neugier, Offenheit für Überraschungen und Enthusiasmus. Leichte Bekleidung wäre auch eine gute Idee! Am besten alle Pläne und den Terminkalender in Deutschland lassen.
Für wen empfehlt ihr die Reise?
Für unternehmungslustige, neugierige, abenteuerliche Familien.
Was ist das Besondere an der 2007 mit dem GEO Saison Preis prämierten Indien Familienreise?
Indien ist ein Land der Paradoxe. Ein großes exotisches Land mit verschiedene Sprachen, verschiedene Religionen und verschiedenen Kulturen. Es gibt eigentlich kein „indisch“, sondern diese Vielfalt ist Indien.
Lernen Sie eine unterschiedliche Kultur kennen und lassen Sie sich von der Andersartigkeit, der indischen Gelassenheit, der Wertschätzung und der Religiösität der indischen Familien begeistern.
Das Besondere dieser Reise ist, dass die Menschen nicht nur die Sehenwürdigkeiten und Gastronomie oder Topographie des Landes mitbekommen, sondern darüber hinaus die Begegnung mit den Menschen, das Kennenlernen und der Austausch. In dieser Reise geht es um das gesamte ‚Erlebnis‘ names „Indien“.
Was sind eure neuen Projekte und Ziele?
In unserem Ort Sreekandamangalam ist es zur einer besonderen Entfaltung gekommen. Durch sanften Tourismus möchten wir andere Regionen kennenlernen, wo aber oft die Entwicklung des Umfeldes für Besucher noch nicht gegeben ist. So sind wir gerade dabei, neue Standorte in den Bergen Keralas und am Strand aufzubauen, da typisch europäisch zum Urlaub auch ein Strand gehört, die Menschen am Strand aber sehr benachteiligt sind und wenig Arbeit und Ausbildungsmöglichkeiten haben. Genauso hat Kerala eine Gebirgskette die bis zu 1500 m über Meerespiegel geht. Dort leben Aussiedlerbauern unter marginalen Bedingungen und die Kinder haben keine gute Ausbildung und erhalten keinen Nachhilfeunterricht. Wir möchten an diesen Orten unsere Arbeit fortsetzen. Am Strand wollen wir mit vorhandenen Ressourcen wie z.B. Palmblättern verschiedene Flechtarbeiten und hochwertige Produktentwicklung aus Kokosfasern fördern. Auf den Bergen möchten wir den biologischen Anbau von Gewürze fördern. Sonstige Talente und Fähigkeiten der Menschen sollen erforscht und gefördert werden. Wir möchten durch kleine und größere Projekte die Eigeninitiative der Menschen in diesen Regionen fördern.
For Family Reisen bedankt sich ganz herzlich für das ausführliche Interview.